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BILDER FONTANES GEGEN DEN TOD. SCHACH VON WUTHENOW

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Wie schon in Grete Minde und entschiedener in L'Adultera wird auch hier die re­ligiöse Sphäre und Dis­po­si­ti­on über­spielt von einem eigensinnig abweichenden Lebensgefühl, das sich erst heranbildet und bis auf wei­te­res zu über­win­tern60 hat. Das gewissermaßen noch embryonische Zeitverhältnis kommt in sei­nem au­to­bi­o­gra­phi­schen Kern für Fon­ta­ne deutlicher zur Erscheinung, wenn nun auch die letz­ten hoch­zeit­li­chen Stationen im Leben Schachs ener­gisch zu­rück­ge­wen­det werden zu der Wu­the­no­wer Nacht des Heim­findens und einer möglichen Wie­dergeburt. Wenn näm­lich in dem Ka­pi­tel "Fa­ta Mor­ga­na" Frau von Ca­ra­yon vor der geplanten Hochzeitsreise von einer Rivalität zwi­schen Ve­ne­dig und Wu­the­now spricht ("Die Lagunen hätten sie gemeinsam und die Gondel auch, und nur um ei­nes müs­se sie bit­ten, daß der klei­ne Brückensteg unterm Schilf, an dem die Gondel lie­ge, nie zur Seuf­zer­brü­cke er­ho­ben wer­de"), dann malt Schach dieses Bild in seiner hochzeitlichen Phan­ta­sie wei­ter aus, sich vor­stellend, wie er viel­leicht als ein zwei­ter Odys­seus der Mee­resstelle zu­stre­be, "wo die bil­der­rei­che Fee wohne, die stumme Sirene", und zwar ge­nau dort, wo der afri­ka­ni­sche Erd­teil sich als "La­ter­na magica"-"Spiegelung" mit dem gegenüberliegenden eu­ro­pä­i­schen tref­fe.61 Mit die­ser Vision seines Reiseziels hat Schach insgeheim er­neut Kurs genommen auf die See-Stel­le zwi­schen Wu­the­now und Fon­tanes Ge­burts­städt­chen Neuruppin. Und nimmt bei seinem fak­ti­schen Frei­tod dann ja förm­lich, in der auf­rech­ten Sitz­hal­tung und im dichten Qualm der Kut­sche, die Po­si­ti­on im Mut­terleib ein.

   Für Schachs Tod überlagern sich somit seine persönlichen Motive, kollektive Zeitbezüge und ein selbs­tre­fe­ren­ti­el­les In­ter­es­se des Autors. Schach selbst weicht vor einer nur noch als zudringlich emp­fun­de­nen Ge­gen­wart aus, was vor­be­rei­tend und nachbetrachtend aus der Perspektive einiger Zeit­ge­no­ssen mehr oder minder treffend kommentiert wird. Schachs Be­kennt­nis zur ritterlichen62 ebenso wie zur protestantischen Blütezeit nimmt der Erzähler auf seine 

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60 Was sich im 2. Kapitel "Die Weihe der Kraft" andeutet, wenn Victoire, von Schach am Klavier begleitet, das Lied aus Za­cha­ri­as Werners Luther-Drama singt: "Die Blüte, sie schläft so leis und lind| Wohl in der Wiege von Schnee ... " (N II, 282f.)

61 N II, 376f. Die Sirenen pflegten auch die neu in der Unterwelt Eintreffenden zu empfangen: "Die Bitterkeit des Todes wird durch ihre Kunst gemildert und verwandelt." Karl Kerényi, Die My­thologie der Griechen. Band 1: Die Götter- und Men­schen­ge­schich­ten (München 22 2001), S. 50f. – Siedelt später auf dem Hochzeitsbankett der Konsistorialrat Boc­quet in sei­nem Toast das Rei­se­ziel in der Nähe des "ägyptischen Wundervogels" an (N II, 378), so dürfte damit nicht – wie bis­lang meist ver­mu­tet – der Ibis gemeint sein, sondern der Phönix (und somit wiederum versteckt auf Schachs Suizid und Wie­der­er­ste­hung an­ge­spielt werden).

62 "Schach ist wie Don Quijote ein nachgeborener 'Ritter', ein scheiternder Befreier und wahn­hafter Beglücker". Hugo Aust, Theodor Fontane. Ein Studienbuch (Tübingen und Basel 1988), S. 90. Was nicht ausschließt, daß Schach als Trä­ger des höchsten russischen Ordens auch soldati­sche Tugenden aufzuweisen hat (vgl. N II, 312 zu seinem An­dre­as­kreuz).


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