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GOETHES LETZTES JAHRZEHNT. BRIEFPARTNER

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Bildquelle: www.weimar-lese.de/index.php?article_id=407


Aus Goethes Briefwechsel mit Zelter wurden für den vorliegenden, rund 900 Textdokumente umfassenden Dop­pelband über 90 Briefe aufgenommen und damit gerade so viel wie von seinen Brieffreunden S. Bois­se­rée, Ma­ri­an­ne und J. J. Willemer, Groß­her­zog Carl August, Amalie v. Levetzow, Knebel und Graf Rein­hard zu­sam­men. Zel­ter sei »nie Jüngling gewesen, son­dern im­mer Mann, er schlüge sich immer durch! Durch Ge­sell­schaf­ten, durch Mu­sik, durch Theater, durch Essen, durch Trin­ken«, er­klärt Goethe am 2.8.1828 Lu­i­se v. Löw. Fas­zi­niert und ab­ge­sto­ßen betrachtet er durch Zelters Berichte das »über­le­ben­di­ge« Ber­li­ner Trei­ben, das kaum zur Be­sin­nung kommen lasse, die deutsche Hauptstadt der sich selbst fei­ern­den »en­ko­mi­a­sti­schen« Ge­gen­wart, dieses »veloziferischen« Zeitalters, das nichts reif werden lasse und solch eil­fer­ti­ge, gei­stes­ge­gen­wär­tig sich durch­lavierende Begabungen hervorbringe, wie er sie ein­mal an sei­nem Ber­li­ner Groß­nef­fen Alf­red Nicolovius exem­pla­risch be­schreibt (in einem unterdrückten und schließ­lich auf meh­re­re Ma­xi­men und Re­fle­xionen verteilten Briefkon­zept).

    Zelter nimmt an allem teil, aber als Charakter, der grob die Spreu vom Weizen trennt, mit scharfem und auch gna­den­lo­sem Witz Berliner Theateraufführungen, gesellschaftliche und wissenschaftliche Ver­an­stal­tun­gen für Goe­the be­gleitet oder un­ein­sich­ti­gen Goethe-Verehrern die Leviten liest. Da­neben er­le­digt er vie­le Auf­trä­ge für ihn, emp­fängt Weimarer Besucher zu den Dar­bie­tun­gen seiner Sing­aka­de­mie, dis­ku­tiert - als gelernter Baumeister - Pläne zum Wiederaufbau des Weimarer The­a­ters, ver­mit­telt Schau­spie­ler nach Wei­mar und über­sen­det Muster für Ofenheizungen, Märkische Rüb­chen, Irish Bulls oder ei­ge­ne Re­fle­xi­o­nen über Aris­to­te­les' Poetik. Goethe vergleicht ihn einmal mit einer Mühle, »die zu dem Um­schwung ih­res Rä­der­werks Was­ser braucht und, da­mit ihre Steine sich nicht selbst aufreiben, Wei­zen die Fül­le nö­tig hat« (5.10.1830 an Zel­ter). Und steu­ert da­zu nicht nur literarische Empfehlungen und Cha­rakteristiken oder Wit­te­rungs­be­ob­ach­tun­gen bei, Be­schrei­bun­gen der Werke von Leonardo, Rubens oder Giulio Romano, die er der chris­tlich in­spi­rier­ten Ge­gen­warts­ma­le­rei grim­mig ent­ge­gen­hält, son­dern sucht den Freund auch auf ur­ei­gen­stem Ge­biet auf, macht ihn auf­merk­sam auf neuere Mu­sik­the­o­re­ti­ker, aller­dings ohne ihn, der so gro­ße Ver­dien­ste um Bach, Hän­del und Haydn hat­te, noch für zeitgenössische Kom­po­ni­sten recht er­wär­men zu kön­nen. Am eklatantesten zeigte sich dies ja in der verständnislosen, offenbar auch Goethe be­ein­dru­cken­den Kri­tik der Faust-Par­ti­tur von Berlioz.

    Das Prekäre und zugleich Stimulierende ihres seit 1799 bestehenden Briefwechsels deutet Goethe öfter da­durch an, daß er ein höher wirksames »Analogisches« in ihren beiden, unter so unterschiedlichen Be­din­gun­gen aus­ge­üb­ten Kün­sten be­schwört. Zweifel daran, Empfindungen des eher Trennenden äußert er meist nur in­di­rekt wie im Lob der ob­jek­ti­vie­ren­den No­ten­schrift oder in seiner Klage über das Ausbleiben ei­nes sol­chen Schü­lers, wie Zel­ter ihn in Fe­lix Men­dels­sohn-Bar­tho­ldy ge­fun­den hat­te. Nur sel­ten klingt es so re­sig­niert wie in ei­nem Kon­zept­frag­ment von Mitte Juli 1831: »Ich kann von deiner Mu­sik nichts hö­ren, du von mei­nen Bil­dern nichts se­hen und da müs­sen wir denn doch am Ende zu Worten unsre Zuflucht neh­men«.

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Carl Friedrich Zelter (1758-1832)
Ölgemälde von Carl Joseph Begas (1827)
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