Home
Impressum
RUTH FLEIGS GALERIE
Schulkinder malen
Bilderbuch Rob. Rabe
Kritzel-Kratzel
HORST FLEIGS TEXTE:
I  Philosophica
II  Reiseberichte
III Zu Wim Wenders
IV Film und Kindheit
V Mitschüler/Schulen
VI Germanistisches
A DER ALTE GOETHE
Briefpartner
Briefkunst
Gesprächspartner
Goethes Tagebuch
Schatten des Todes
Ausg. letzter Hand
Weltliteratur
Geistig vereinsamt
Sekretieren
Erinnerungsschocks
Sich-historisch-Sein
›Warte nur, balde‹
Kollektivwesen Genie
Hypsistarier Goethe
B ZU THEODOR FONTANE
Herr von Ribbeck
Grete Minde
Ellernklipp
Unt. Birnbaum. Quitt
L'Adultera
Schach von Wuthenow
Gegenzeitigkeit
Zur Stechlin-Fontäne
C ZU »BONAVENTURA«
Literar. Identität
Mikrostilistik
Exlusionsphase
›Memnon‹-Nacht
Name und Maske
D ZU AUG. KLINGEMANN
Kandidatenreigen
Sprachstatistiken
K-s Artikel und ›Nw‹
Datierungstabelle
Arnims Nachtwache
Nacht bei Klingemann
Pseud. Bonaventura
Demiurg Shakespeare
Maske »Bonaventura«
»Parallelen«-Debakel
Mimetisches Genie
Prometheus Theater
Braunschweiger Vita
Vampirismus
Zwei Lieblingsorte
Collegium Medicum
Freigeist Lessing
Mentor Eschenburg
Alessandro-Kreuzgang
Postskripta 2011


LITERARISCHER VAMPIRISMUS. KLINGEMANNS NACHTWACHEN. VON BONAVENTURA 

________________________________________________________


Hauptfiguren verständlich. Zu Beginn der 5. Nachtwache wird der Le­ser mit der fol­gen­den Ge­pflo­genheit Kreuzgangs be­kannt gemacht:


      »Die vorige Nacht­wache währte lange, die Folge war, wie bey Jenem, Schlaflosigkeit, und ich mußte

      den hellen pro­sa­i­schen Tag, den ich sonst meiner Gewohnheit gemäß, wie die Spanier, zur Nacht

      mache, durch­wa­chen« (und ge­gen ihn zur Feder greifen).

Man höre nur, wie Klingemann selber die Nacht zum Le­bens­raum des­sen erklärt, der schreibend ge­gen das bürgerli­che Tagesleben anhält, zu einer Ge­gen­exi­stenz noch mit­ten im prosaischen selbst:


      »Es ist ein heisser Tag, und ein spanischer Him­mel scheint al­les zu ver­sen­gen ... ich habe oft die eige-

      ne Laune, die Fensterladen zu­zu­schlie­ßen, Licht an­zu­zün­den und durch eine künstliche Nacht den

      hellen prosaischen Tag zu ver­drän­gen. Ich möch­te auch be­haup­ten, ein Dich­ter könne am Abende

      und in der Nacht weit reicher dar­stel­len, als am hel­len Ta­ge, wo die Phan­ta­sie mehr nach aussen ge-

      richtet wird, da sie dagegen in der Nacht und Däm­me­rung in sich zu­rück­geht und ih­re wun­derbaren

      Tiefen sich eröfnen.«


Der so schreibt, ist nicht et­wa ei­ner der Ro­man­hel­den Klin­ge­manns, sondern Klinge­mann selber als - an­ony­mer - Ver­fas­ser von »Ge­mähl­den der Braun­schweiger Sommermesse 1802«.23 Ob dies Plädoyer zu­gun­sten der nächtlich-po­e­ti­schen Ar­beit buch­stäb­lich zu nehmen ist, muß dahingestellt bleiben; je­den­falls scheint Klin­ge­mann hier von ei­ner tie­fen Nei­gung zu bekennen.

   Wenn er dann 1803 dem anonymen Verfasser die »Erste Nachtwache« gleichsam aus der Hand nimmt und fortsetzt, dann nicht als Kopist oder Nachahmer, sondern in der Inspiration, mit der elementaren »nächtlichen« Neigung auch 

-------------------------------------------------------------------------------------------

23  Auf diesen Messebummel in Form von sechs »Ausflügen«, am 23. und 25.9.1802 in der »Eleganten« ohne Na­mens­an­ga­be und nur mit zwei Asterisken erschienen, hat schon Klingemanns Biograph Hugo Burath (1948) auf­merk­sam ge­macht: »ein Unbekannter (wahrscheinlich Klingemann)« habe dort eine - dann 1816 von Klinge­mann ein­ge­führt­e - Schau­spie­ler­schu­le gefordert.« H. Burath, August Klingemann und die Deutsche Romantik (Braunschweig 1948), S. 12 und 233. - Den genaueren Nachweis der Autorschaft, der auf negativer »Identitätsstufe« durch das an an­de­rer Stel­le vor­ge­stell­te Ex­klu­sionsverfahren (siehe dort) zu erbringen wäre und affirmativ über die Schreibvor­lieben und Stil­ei­gen­hei­ten Klin­ge­manns, kann ich mir hier ersparen; man könnte ihn aufgrund der vorliegenden Materialien unschwer nach­voll­zie­hen. Au­ßer­dem ist Klin­ge­mann in dem Ta­ge­buch seiner Theaterreisen 1819 noch einmal unter eigenem Na­men auf die­se nächt­li­che Ar­beits­wei­se zurückgekommen:

   »Auch Schillers Haus ... suchte ich an der Esplanade auf, und schaute hinauf zu den beiden Fenstern am Dache, hinter wel­chen der Dichter oft am Tage, bei ver­schlossenen Laden und angezündeten Lichtern seine Werke dictirte. Schiller ge­hör­te zu den Nach­ti­gall­sängern, welche am Abende erst recht wach werden, und deren Begeisterung mit der her­auf­zie­hen­den Nacht und unter dem gestirnten Himmel am erhabensten ausströmt. So schuf er selbst oft eine künstliche Nacht um sich her, sei­ne Phan­ta­sie zum ei­genen Schaffen höher anzufeuern.« August Klingemann, Kunst und Natur. Blät­ter aus mei­nem Rei­se­tagebuche, (3 Bde., Braunschweig 1819, 1821 u. 1828); 1. Bd., S. 32ff.


                                                              - 22 -                                                                        Weiter

Zurück
Top
http://www.fleig-fleig.de/