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BILDER FONTANES GEGEN DEN TOD. VOM VERSTECKSPIELEN ZUM KRYPTISCHEN ERZÄHLEN

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lers. Zur Eröffnung also Hrad­schecks Gang durch die vom Er­zäh­ler auf­merk­sam beschriebene – für den bal­di­gen Raubmörder schließlich so fatale – Öl­fäs­ser-Gas­se bis in den Gar­ten mit die­sem Birnbaum in der Mit­te, den ge­ra­de eine Hummel um­sum­me, wäh­rend die Kat­ze der alten Nachbarin Jeschke durch die Bee­te schlei­che, – all dessen, so der auk­to­ri­a­le Er­zäh­ler, wer­de Hrad­scheck nicht gewahr und erst aus sei­nen ängst­li­chen Be­sitz­er­wä­gun­gen ge­ris­sen, als er "ei­ne gro­ße, durch ihre Schwere und Rei­fe sich von selbst ab­lö­sen­de Mal­va­sier­bir­ne mit ei­gen­tüm­lich dump­fem Ton auf­klatschen hörte."16 Im zweiten Anlauf, kaum daß der Fein­schme­cker die letzten Kar­tof­feln aus der Gartenerde geholt und seine Lust am Um­gra­ben ent­deckt hät­te, stößt er auf Arm und Schul­ter des einst unter dem Birnbaum verscharrten Fran­zo­sen. Noch wäh­rend des Zu­schaufelns der Stel­le hätten die Mordpläne "Besitz von ihm" genommen. Nach der Tat scheint Hrad­scheck die Lei­che des Hand­lungsreisenden zunächst unter dem Birnbaum ver­schar­ren zu wol­len, ver­gräbt sie dann aber in sei­nem Kel­ler. Warum auch immer, ob als Täu­schungs­ma­nö­ver für die lau­ern­de Jesch­ke oder nicht,17 die­ser drit­te Gang zum Birnbaum läßt sich auch als ma­gisch-zwangs­haf­te Ge­ste ver­ste­hen, et­was dort Ge­borgtes wiederzuerstatten und sich damit auch im wei­te­ren Sin­ne der Schuld zu ent­le­di­gen. Bis zu­letzt je­denfalls klammert sich Hradscheck an den ent­la­sten­den Cha­rak­ter ei­ner Nach­fol­ge­tat.18 Und wenn der vom Gericht Freigesprochene sich lei­den­schaft­lich ge­gen ei­ne Um­bet­tung des vom To­ten­grä­ber Wonnekamp freige­legten Franzosen, seines Ali­bis, auf den Kirch­hof aus­spricht und ihn als "Schutz­pa­tron" in sei­nem Garten behalten will, dann scheint er die­sen sei­nen Ent­la­stungs­zeu­gen auch see­lisch für im­mer bei sich behalten zu wollen. Hradschecks Ehe­frau und Kom­pli­zin Ur­su­la, die beim ge­mein­sa­men Aus­he­cken des Mordes "birnenförmige Bum­meln von ve­ne­ti­a­ni­scher Per­len­mas­se" in ih­ren Ohr­rin­gen trug,19 sucht auf ihre Weise Distanz zu der Lei­che im Kel­ler zu ge­win­nen, dringt auf ein neu "auf­ge­setz­tes Stock­werk" des Hauses und zieht dann sogleich nach oben. Hrad­schecks schi­zo­i­des Be­mü­hen, zu sei­ner see­li­schen Ent­la­stung die Tat auf zwei ver­schie­de­ne Schau­plät­ze auf­zu­tei­len, wird in der Fol­ge heim­tü­ckisch un­ter­miniert. Daß der alte Baum noch ein­mal präch­tig Früch­te trägt, führt man auf den Fran­zo­sen zu­rück, und bald macht die Re­de von den "Fran­zo­sen­bir­nen" die Run­de; die­ses Rib­beck­sche 

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16 N III, 318

17 "Die Szene des vorgetäuschten Vergrabens der Leiche ist zwar ein Bestandteil von Hradschecks Plan, ver­selb­stän­digt sich aber zugleich in ihrer imaginären Logik und ist mit dem Handlungsver­lauf nicht wirklich ver­bun­den." Mi­cha­el Nie­haus, Eine zwielichtige Angelegenheit: Fontanes ’Un­term Birnbaum’. In: Fontane-Blät­ter, Heft 73 (2002), S. 44-70; Zitat S. 50

18 Was sie auch in anderem Sinne ist: "Abel Hradscheck tut, was Macbeth vor ihm tat, der sei­nerseits dem Ur-Mo­dell des Mor­des des Menschen am Menschen, Kain an Abel, folgt." Lieselot­te Voss: Literarische Prä­fi­gu­ra­ti­on dar­gestellter Wirk­lich­keit bei Fon­ta­ne. Zur Zitatstruktur sei­nes Romanwerks, München 1985, S. 200. Vgl. dort S. 200-213 die de­tail­lier­ten Aus­füh­rungen zum Vor­bildcharakter Shakespeares.

19 N III, 326









Umschlagzeichnung eines Schulbuchs (von Ingeborg Strange-Friis, 2011)
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