Home
Impressum
RUTH FLEIGS GALERIE
Schulkinder malen
Bilderbuch Rob. Rabe
Kritzel-Kratzel
HORST FLEIGS TEXTE:
I  Philosophica
A ZUR ANTHROPOLOGIE
Sloterdijk-Habermas
Pico della Mirandola
Michel de Montaigne
J. G. Herder
Max Scheler
Helmuth Plessner
Rück- und Ausblick
B ERINNERUNGSBILDUNG
Schock der Rückkehr
Erinnerungsautomatik
Wuchernde Phantasie
Seel. Raumpositionen
Sprache und Erinnern
Besuch als Korrektiv
Identitätsfragen
Steuernde Phantasie
Über das Vergessen
Biogr. Stimmigkeit
Proust. Doppelgänger
Psychobiologisches
II  Reiseberichte
III Zu Wim Wenders
IV Film und Kindheit
V Mitschüler/Schulen
VI Germanistisches
ERINNERUNGSSPRACHE. - SELBSTERFORSCHUNG

----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------



kei­ne künstliche Naivität zu entwickeln, zumal solche sprachlichen Über­ar­bei­tun­gen durch­aus erst in späterer Kind­heit oder Ju­gend er­folgt sein dürften (allenfalls kennzeichne­te ich ein mir da­mals zweifellos nicht ge­läu­fi­ges Wort durch Spitz­klamme­rung). Ein nützlicher Schutz hingegen vor gedankenlosen und un­nötigen Ana­chro­nis­men wie den ab­strakten Bezeichnungen des Er­wach­se­nen war der erwähn­te Ge­brauch des Präsens, das eben­so wie die wech­seln­den kindlichen Anredefor­men für die Eltern oder wie ein schlich­ter Satzbau die Auf­merk­sam­keit auf die Per­spek­tive des Kindes wachhielt. Ich mochte mir damit freilich noch so viel Mü­he ge­ben, so war es doch selbst­ver­ständ­lich immer der Erwachsene, der seine Er­in­nerungen beschrieb und auch die Be­ob­ach­tun­gen des Kin­des nun ge­mäß sei­nem weit entwickelteren Sprachgefühl vortrug.

   Reflexionen über das Erinnerte oder auch ergänzende Bemerkungen Dritter hob ich von dem eigentlichen Er­in­ne­rungs­text ty­po­gra­phisch deutlich ab.


Als ich im Alter von 48 Jahren mit der Niederschrift begann, erwartete ich für die Zeit meiner Kindheit, das heißt bis zum Über­gang aufs Gymnasium im Früh­jahr 1955, ein Manuskript von ungefähr 50-80 Seiten Umfang (es wurden bis da­hin, in der er­sten Nie­der­schrift, an die 400 Seiten)! Und hätte zu Beginn nicht für möglich ge­hal­ten, daß ich mich auch noch für meine späte Kind­heit und Ju­gend in­teressieren würde, meinte ich sie doch durch­weg ver­stän­dig durch­lebt und in den Grundzügen begriffen zu ha­ben. Wie ge­gen mei­nen Willen wur­de ich über­dies im­mer stär­ker zu einem zusammenhängenden Erzählen hingerissen, ge­gen das ich mich be­stens ge­wapp­net glaub­te. Die Er­in­ne­rungsbeschreibungen meiner Jugendjahre (ab dem 14. Lebensjahr), die sich schließ­lich kaum mehr von Spra­che und Ein­schätzung des Erwachsenen unterschieden, berücksichtigte ich des­halb nur noch dort, wo sie für die grund­sätz­li­che­re Erinnerungs­thematik von Be­lang waren.

*

 


Vieles ist in diesen Aufzeichnungen, die ich als psycholiterarischen „Selbstver­such”[2] verstand, für mich zum er­sten­mal über­haupt zur Spra­che ge­kommen. Da­mals, als das Kind es erlebte, mochte es nicht oder nur la­ko­nisch dar­über spre­chen und wuß­te sich kaum ein­mal jeman­dem anzuvertrauen. Hätte es damals da­von er­zäh­len kön­nen, wä­re alles dadurch in ein be­stimm­tes Licht ge­rückt, von den Reak­tionen der anderen berührt und bald schon in mei­ner Erin­nerung mit deren Stel­lungnahmen verbunden,

------------------------------------------------------------------------
[2] Odyssee in die Kindheit, a.a.O. (siehe Fußnote S. 19), S. 41
                                                                     - 22 -                                                                           Weiter
Zurück
Top
http://www.fleig-fleig.de/