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LITERARISCHER VAMPIRISMUS. KLINGEMANNS NACHTWACHEN. VON BONAVENTURA 

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Burath: »Die hier und da geäußerte Ansicht, in dem Namen Klingemann rühre die erste Silbe von der Klin­ge = Schwert­klin­ge her, ist irrig. Älter und früher als die Schwertklinge war das Klingen (= Tö­nen, Rau­schen). Klin­ge heißt im Mit­telhoch­deut­schen eine von dem Rauschen, Sausen und Brau­sen (d. h. Klin­gen) ei­nes Baches, eines Wasserfalls, ei­ner Strom­schnel­le oder Furt widerhallende Schlucht.«87 Der ety­mo­lo­gi­sche Hin­ter­grund war Klingemann an­schei­nend wohl­be­kannt, selbst­iden­ti­fi­zie­rend aber woll­te er die­se Namensbedeutung, die ihm so vielleicht zu na­tur­nah war, nicht ge­brau­chen. Statt­des­sen er­wähl­te er sich zur Selbst­iden­ti­fi­zie­rung und -sti­li­sie­rung das künst­li­che und vor­nehm­lich künst­le­risch-mu­si­ka­li­sche »Klingen«. Er bewegte sich dabei zwischen dem Extrem der Emp­fäng­lich­keit oder Re­so­nanz (das in der Mem­non-Fi­gur von 1800 kulminiert) und dem ande­ren Ex­trem des Trot­zig-Wi­der­spen­sti­gen: Zu den­ken ist hier­bei an die klin­gen­den Schel­len des Nar­ren Hans­wurst, der im Gleich­nis des »Pro­logs« sel­ber vom Le­ben spricht als dem

»Schellenkleid das das Nichts umgehängt hat, um damit zu klingeln und es zulezt grimmig zu zerreißen« und der in der 15. Nachtwache »als Freiheit und Gleichheit, lustig Menschenköpfe, statt der Schellen, schüttelte«.88

 

Auch Kreuzgangs Lauf durch die Tonleiter (»Mein Gemüth ... das einem mit Vorsatz widersinnig ge­stimm­ten Saiten­spie­le gleicht«), diese Selbstbefragung, die mir schon früh wie eine ver­steckte Selbst­vor­stel­lung von »Klin­ge­mann« vor­kam, wen­det sich merk­wür­dig genug wieder dem Schel­len­ge­klin­gel der um­tan­zen­den Fast­nachts­spie­ler des Lebens zu und scheint dabei die Er­fah­rung des in sich nich­ti­gen Ich zugleich als ein ein­zi­ges Ver­klin­gen der »Mem­non«-Zeit dar­zu­stel­len:

»Und die Lar­ven drehen sich im tollen raschen Tanze um mich her um mich der ich Mensch heiße und ich taum­le mitten im Kreise ... könnt ihr mir nicht zu meinem Leibe verhelfen, und schüttelt ihr immer nur Eure Schel­len, wenn ich denke es sind die meinigen? Hu! Das ist ja schrecklich einsam hier im Ich, wenn ich euch zu­hal­te ihr Masken, und ich mich selbst anschauen will alles verhallender Schall ohne den verschwundenen Ton ... das ist wohl das Nichts das ich sehe!«89

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87  Hugo Burath, a.a.O. (Fußnote 84), S. 208

88  August Klingemann, Nachtwachen von Bonaventura (Penig 1804), zitiert nach der Ausg. von Jost Schillemeit (Frank­furt/­Main 1974), die sich in Wortlaut, Orthographie und Interpunktion nach dem Erstdruck richtet; S. 107 und S. 177.

89  11. Nachtwache, in: Nachtwachen, a.a.O., S. 128-131


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