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MERLIN ODER DER ALTE GOETHE
DIE LETZTEN JAHRE 
(1823-32)

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Bildquelle: http://picasaweb.google.com/103227730357224152636/BildergalerieFranzHuth



Er hat diese genialen »Tüchtigen« unter wechseln­den Namen angerufen, als verborgen wirk­sa­me »Mi­no­ri­tät für das Wah­re« in der Wis­sen­schaft (Wan­der­jah­re III 14), als stille »kleinste Schar« (Ver­mächt­nis) und mehr­fach als ver­folg­te »un­ter­drück­te Kir­che«. Schon in seinem epischen Fragment Die Ge­heim­nis­se (1784/85) tritt uns ei­ne solch iso­lier­te Bru­der­schaft in »einer Art von ideellem Montserrat« ent­ge­gen, stell­ver­tre­tend für die höch­sten Denk­weisen und (re­li­gi­ö­sen) Über­zeu­gun­gen des Menschen. Und nicht nur die Ge­mein­schaft der Tüch­ti­gen, son­dern auch das Tüch­ti­ge selbst wird so im »Zwischengesang« des an Carl Au­gust ge­rich­te­ten Ge­dichts Zur Logen­feier des drit­ten Sep­tem­bers 1825 in sei­ner sich ver­ewi­gen­den, »un­ser zwei­tes Va­ter­land« ver­bürgenden Kraft gepriesen. Die­ses Ide­al leuch­tet noch in Goe­thes letz­tem sym­bo­li­schem Al­tersbekenntnis zu einer antiken synkretistischen Sekte auf, die das Höch­ste oder Er­ha­ben­ste (›Hyp­si­stos‹) ver­ehr­te: Er habe bisher, teilt Goe­the am 22.3.1831 Boisserée mit, »kei­ne Kon­fes­si­on ge­fun­den, zu der ich mich völ­lig hätte bekennen mögen. Nun erfahr ich aber in meinen al­ten Ta­gen von ei­ner Sek­te der Hyp­sistarier, welche, zwischen Heiden, Juden und Christen ge­klemmt, sich er­klär­ten, das Be­ste, Voll­kom­men­ste, was zu ihr­er Kenntnis käme, zu schätzen, zu bewun­dern, zu ver­eh­ren und, in­so­fern es al­so mit der Gott­heit im na­hen Ver­hält­nis stehen müsse, anzube­ten. Da ward mir auf ein­mal aus ei­nem dunk­len Zeit­al­ter her ein fro­hes Licht, denn ich fühlte, daß ich Zeitle­bens ge­trach­tet hat­te, mich zum Hyp­si­sta­ri­er zu qua­li­fi­zie­ren«.

    Die mit der christlichen Heilsbotschaft spielende religiöse Diktion gab dem Katholiken Boisserée keine Ru­he, ver­geb­lich, Goethe ließ sich auf seine trinitarischen Auslegungs­versuche des ›Hypsistos‹ nicht ein. Sei­ne Re­li­gi­o­si­tät bleibt bis zu­letzt de­zidiert nichtchristlich und hält ent­ge­gen al­len end­zeit­li­chen Erwartungen an der Wir­kungskraft des tüch­tig erfaßten ›Au­gen­blicks‹ oder Mo­mentsfest, an sei­ner in­ner­zeit­lich erbrachten, aber zeit­bildenden und gar Ewigkeit be­grün­den­den ›Präg­nanz‹ und ›Frucht­bar­keit‹. Die­sem Hei­lig-Tüch­ti­gen zugedacht bleiben denn auch seine re­li­gi­ö­sen Me­ta­phern für die ei­ge­ne ge­dämp­fte Mer­lin-Exi­stenz: sein »in­ne­res Klo­stergarten-Leben«, das er be­son­ders in den Brie­fen an Zel­ter und im Kon­trast zum bun­ten und lär­men­den Ber­li­ner Trei­ben be­schwört, wenn er sein Ar­beits­zim­mer als »Klo­ster­zel­le« vor­stellt, als »Zel­le« oder »Klau­se« mit Blick auf den von Mau­ern um­ge­be­nen »Klo­stergarten«, über den die Welt- und Ta­ges­er­eig­nis­se nur als phan­tas­ma­go­ri­sche Wol­ken hin­weg­zö­gen oder auf des­sen schnee­be­deck­ten Flä­chen sich in der Ein­bil­dungs­kraft ab­zeich­ne­ten (28.1.1828 an Rein­hard und 28.12.1830 an Zel­ter).


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Goethes Arbeitszimmer mit Ausblick auf den Hausgarten
Pastell von Franz Huth (1876-1970)
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