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‚INTOLERANZA’, Beitrag mit Karikatur von Wim Wenders (im ‚KREISEL’ Nr. 3/1962)


Nur zögerlich oder verkappt beteiligen sich andere Schüler an der Kritik. In Heft 3/1963 erzählt ein An­ony­mus in seiner in Ir­land spielende Kurz­ge­schich­te ‚der brief’, wie der 13jährige Schüler Mi­cha­el O’Gomery vor einem ‚Blauen Brief’ seines „Stä­dti­schen Jun­gengymnasiums”(!) flüch­tet und schließ­lich von der Polizei aufgegriffen wird. Der Brief habe aber nicht die Nach­richt von seiner Nicht­ver­set­zung, sondern „nur die Quit­tung für ei­nen Täu­schungs­versuch und fle­gel­haf­tes Be­neh­men” ent­hal­ten. Diese Erzählung läßt sich als doppelte Travestie lesen, dürf­te näm­lich zum ei­nen den im sel­ben ‚Krei­sel’-Heft von un­serem neuen Schulsprecher beklagten Vorfall aufgreifen, daß der Polizei das „fle­gel­haf­tes Be­neh­men” ei­ni­ger Schü­ler un­seres Gymnasiums aufgefallen wäre. Und reflektiert sicherlich zum anderen die Monate zu­vor er­folg­te Flucht un­se­rer Mit­schü­ler Hans-Robert Lutz und Heinz-Jürgen Maas, die in Spanien von der Polizei aufgegriffen wurden und von de­ren wei­te­rem Schick­sal in Heft 1/1964 ver­mel­det wird: „Der ‚Aus­reiß­ver­such’ der Schü­ler ... (O II) endete mit deren Entlassung von un­se­rer Schu­le. Sie be­su­chen jetzt das Gymnasium in Bottrop”.


Die von Bodo Harenberg herausgegebene ‚Chronik 1960’ merkt zu der damals von den Kul­tus­mi­ni­stern beschlossenen ‚Ober­stu­fen­re­form an: „Das in dem Reformwerk formulierte Ziel, ‚die Er­zie­hung des Schülers zu geistiger Selbst­tä­tig­keit und Verantwortung zu fördern’, ist un­ter den bun­des­deut­schen Pädagogen keineswegs unumstritten”; an man­chen Gym­na­si­en sei die Re­­form sogar „bis in die 70er Jahre hin­ein” ver­zö­gert wor­den (S. 160). Und in ei­nem Bei­trag zur „Na­zi-Zeit in den Schulbüchern” ist dort zu lesen: „Noch immer wird die Zeit zwi­schen 1933 und 1945 in vie­len Lehr­bü­chern ver­harm­lo­send dargestellt”; so werden in einem Buch „Hitlers ‚Eingriffe in die gei­sti­ge Frei­heitmit 15 Zei­len, die Ju­den­ver­fol­gung mit acht bei­läu­fi­gen Sätzen abgehandelt” (S. 33). Ich entsinne mich noch lebhaft, wie ich in un­se­rem Ge­schichts­buch auf die folgende Ka­pi­tel­über­schrift sto­ße: „Ver­folgung der Juden und der Kirche” (oder gar um­ge­kehrt); und wie ich mei­nen ka­tho­li­schen Sitz­nachbarn Norbert em­pört auf die für mich drei­ste Scham­lo­sig­keit hin­weise, Op­fer und Tä­ter in ei­nem Atem­zug zu nen­nen. Denn für mich war schon damals die christ­li­che Kir­che sel­ber die hi­sto­risch ein­fluß­reich­ste Quel­le des Antisemitismus. Auch schien mir die als „abend­län­disch” ver­bräm­te Gei­stes­dres­sur an un­se­rem Gym­na­si­um in ei­ner lan­gen christlichen Tradition zu stehen. Woll­te doch der Haupt­ver­ant­wort­li­che für das Kli­ma wäh­rend mei­ner Sterk­ra­der Schul­zeit 1955-65, Herr Ober­­stu­di­en­di­rektor Dr. Otto Lorenz (geb. 1911), die „Schü­ler­mit­ver­wal­tung” nach dem Vor­bild sei­ner Klo­ster­schu­le ein­ge­richtet se­hen. So sei ihm denn mei­ne letzte Seite gewidmet.


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