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Greta Kü. 1951

Greta Kü. 1954/55


Wer kommt aufs Gymnasium?

 


Eines Morgens möchte unser Rektor von uns wissen, wer zu der Aufnahme­prü­fung für eine höhere Schule an­ge­mel­det werden soll. Nie zuvor sprachen wir darüber, nicht im Unterricht und auch nicht zu Hause. Als ich mei­ner Mutter da­von berichte, fragt sie auf­ge­regt, ob ich etwa ge­sagt hätte, nicht daran teil­neh­men zu wol­len? Ich kann dies verneinen; und freue mich, als ich hö­re, daß auch ich die­se Prüfung ab­le­gen soll.

 

In den folgenden Tagen aber muß ich verwirrt und be­­trübt zur Kennt­nis neh­men, daß einige Mit­schü­ler, die ich für sehr in­tel­li­gent halte, von ihren Eltern weder für ein Gym­na­si­um noch für eine Mit­tel­schu­le an­ge­mel­det wer­den sollen. Besonders be­dau­ern­swert finde ich Gre­­ta, die ich gut leiden mag, und se­he noch, wie sie so stumm dasitzt, als wir anderen aufgerufen oder schon über die näch­sten Schrit­te in­for­miert wer­den. Ich be­­­grei­fe dies einfach nicht!

So manchesmal kam mir diese Auswahlszene schon in mei­ner Ju­gend als Schlüsselerlebnis für soziale Un­ge­rech­tig­keit in den Sinn. Dies wollte ich eben­sowenig vergessen wie die weniger kras­se, dafür hinterhältigere Se­lek­ti­on, die ich dann auf dem Gym­na­si­um kennenlernte, indem ei­ni­ge be­sonders interes­sante und geist­vol­le Mit­schüler zu­­gun­sten der lernwilligen, das heißt im El­tern­haus nach­drück­lich geförderten, aus dem Fel­de ge­schla­gen wur­den.

   Von uns 42 Viertkläßlern der evangelischen Schule ka­men 1955 zehn auf die höhere Schule, was deutlich über der damals üb­li­chen Jahrgangs­quote (rund 15 Prozent) lag und sich durch den Standort des dortigen Che­mie­werks er­klärt. Sechs oder sie­ben von denen, die auf ein Ly­ze­um oder Gymnasium wech­selten, waren Kin­der von (lei­ten­den) Angestellten dieser „Ruhr­che­mie”; die Vä­ter der anderen waren Pfarrer, Lehrer und Le­bens­mit­tel­händ­­ler. Weitere vier oder fünf Schüler gingen zur Mit­tel­schu­le ab, un­ter de­nen zwei wohl Hand­wer­ker zum Va­ter hat­ten.

   Auf dem Gymnasium wurden wir Jungen strikt nach dem Alpha­bet auf die beiden Sexten verteilt, so daß nur noch einer aus mei­ner alten Grund­schu­le mit mir weiter in die­sel­be Klas­se ging.




Aufnahmeprüfung” für das Gymnasium

                         (laut Eintrag ins Zeugnisheft am 1.2.55)

 


Zusammen mit meinem Klassenkameraden Detlef wer­de ich von dessen El­tern im Auto zum Sterkrader Gym­na­si­um ge­bracht. Im Erd­geschoß des riesigen, lang- und hochflurigen Gebäudes sit­ze ich nun mit an­de­ren Jun­gen in einem Klassenzimmer, den Rü­cken zur Tafel, und ha­be wohl einen Aufsatz zu Papier zu brin­gen. Mir ge­­gen­­über sitzt hinten links ein Lehrer, der in seine Zei­­­­­tungs­lek­tü­re ver­tieft ist.

   Ich weiß nicht mehr, wann uns die Ergebnisse der schrift­li­chen Prü­fung mit­geteilt werden. Hinterher ha­be ich ein gu­tes Ge­fühl. Auch loben mich die Eltern meines Mit­schü­lers noch im Schulflur dafür, wie ich mich ge­hal­ten hätte.

   Irgendwann nach oder schon vor der Prüfung ber­ich­tet mir Mutter, daß sie mich angemeldet und der neu­e Di­rek­tor zu mei­nem Schulzeugnis be­merkt habe: „Wenn nur alle ein so gutes Zeugnis hätten ...” Das alles klingt sehr be­ruhigend.


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