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VI Germanistica



Tagebuchnotizen des Neunjährigen (darunter zum Schulrektor, zu unserer Religionslehrerin



und zu den Torerfolgen meiner Mitspieler bei Grün-Weiß-Holten)



An meinen Schulschreibheften gefallen mir die Etiketten mit ihren zart gezo­genen bläulichen Li­ni­en und ab­ge­run­de­ten Kan­ten. Ich mag die Hef­te gern benutzen und stelle auch mit ziem­li­cher Befriedigung fest, daß un­ser Rek­tor nur selten ein­mal einen Diktatfehler darin ver­mer­ken kann.

   Gegen Ende des 4. Schuljahres will mein Vater, daß ich von nun an ein Tagebuch schreibe. Ich bin aber auf der Hut und erwähne nur die­je­ni­gen meiner Übelta­ten, die harmlos sind oder schon entdeckt und bestraft wur­den.


Dieses Tagebuch, eine Kladde mit bläulich-schwarz marmoriertem Papp­deckel, ist das älteste von mir er­hal­te­ne schrift­li­che Dokument. Ich führ­te es von Herbst 1954 bis Anfang 1955. Ich weiß nicht mehr, ob ich von Be­ginn an ei­ne Fal­le witterte oder das Ganze zunächst nur als ei­ne Be­stra­fung ansah, so wie Vater uns spä­ter Straf­ge­dichte und -auf­sät­ze aufgab. Es sieht so aus, als hätte ich dies da­mals selber her­aus­zu­be­kom­men ver­sucht, fin­det sich doch schon am zwei­ten Tag der leicht provokante, wie in einen Potentialis ge­klei­de­te Ein­trag: „Schlech­tes Wet­ter Mit­tags, so daß ich keine Streiche spielen konnte.” In den nächsten Ta­gen wer­de ich zu­neh­mend küh­ner (30.10.: „abends ... Klim­per­män­chen ge­macht”; 31.10.: „als der Kerl da an der <Fuß­ball­ver­eins->Kas­se mal weg ging, bin ich an ihm vorbeigerannt, denn ich hatt kein Geld mit”). Dann aber ge­be ich mich über Wo­chen hin kreuzbrav und ver­schlei­e­re gar am 9.11.54 einen er­folg­rei­chen Schum­mel­ver­such („Abends fuhr ich um­sonst nach Hamborn”, d.h. ich drück­te mich am kas­sie­ren­den Schaffner vor­bei). Erst im Ja­nu­ar '55 rücke ich wieder mit kleine­ren Ver­gehen her­aus („Kis­sen­schlacht”; „mit Ta­schen­lam­pe heim­lich raus­ge­gan­gen”). Das sieht denn doch nach dem tak­ti­schen Ver­hal­ten des­sen aus, der sich auf ei­nen Mit­le­ser ein­ge­stellt hat. Auch glaubt man bald der lust­los und uninspiriert wir­ken­den Aus­führ­ung das Ab­ge­preß­te an­zu­mer­ken.

 

In meinem Tagebuch ist zur Schule noch zu lesen: Am 4.11.54 „bekamen wir das Heftchen: ‚Till Eu­len­spie­gel’ zum lesen!”

Ich entsinne mich, wie wir über Till sprechen, der alle Befehle und Aufträge so wörtlich-wild aus­führt.

 
Am 13.12.54 hatten wir laut Tagebuch schulfrei”. Am 16.12. ließ uns der Rektor zu sei­nem Ge­burts­tag schon um 11 Uhr nach Hause ge­hen. Am 15.2.55 bekamen wir we­gen Schneefalls keine Schul­ar­bei­ten auf, und am näch­sten Tag endete der Unterricht wegen des Kar­ne­vals wie­de­rum um 11 Uhr. Wiederholt hatten wir ohne An­ga­be von Grün­den schon um 10 Uhr schulfrei, dies in den Mo­na­ten vor der Zu­las­sungs­prü­fung fürs Gym­na­si­um! Womöglich wurde Herr Schneiders schon damals vormittags zu Sitzungen des Oberhausener Stadtrats abgeholt.


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