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Proust. Doppelgänger
Selbsterweiterungen
II  Reiseberichte
III Zu Wim Wenders
IV Film und Kindheit
V Mitschüler/Schulen
VI GERMANISTICA

RÜCK- UND AUSBLICK

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Für den aufgeklärten Theologen Herder ist die Gottesebenbildlichkeit keine Gegebenheit mehr, sondern – wie schon bei einigen Humanisten – eine Aufgabe des Menschen, der sich zur Humanität erst auszubilden hat. Diese selbst hängt von keiner außermenschlichen Instanz ab, sondern trägt sich allein in der Geschichte zu; wer ein Je­nseits als Ziel dieser Entwicklung setze, betrüge den Menschen um seine irdische Existenz, die er selbständig und „ohne Wun­der der Gottheit” zu meistern habe.9 Als „der erste Freigelassene der Schöpfung”10 weiß er seine Freiheit dank der nur ihm eigenen Besonnenheit und der ihm in kollektiver Vernunft zuarbeitenden Sprache zu erhalten, kann sie aber auch missbrauchen. Dieser aufrecht gehende „Gott der Tiere” ist weithin selber Tier, und zwar in anatomischer Hinsicht ein „Mittelgeschöpf unter den Tieren der Erde, d.i. die ausgearbeitete Form ... in der sich die Züge aller Gattungen um ihn her im feinsten Inbegriff sammeln”.11 Dies allerdings, ohne dass er deren je­wei­li­ge Spezialisierung auf eine bestimmte, von Geburt an zugewiesene natürliche „Sphäre” zu teilen hätte, besteht doch genau in dieser umweltentbundenen Nichtspezialisiertheit seine Offenheit für die Welt.

   Hinsichtlich der Entwicklungsgrenzen des Menschen scheint sich Herder nicht schlüssig zu werden. Unablässig appelliert er an die progressive Ausbildung des Menschen, an die Notwendigkeit von Metamorphosen sowohl im Lebenslauf des Individuums wie im Gang des Menschengeschlechts überhaupt,12 bekennt sich gleichwohl gelegentlich zu dem al­ten Topos, dass sich der Mensch in seiner Wesensnatur immer gleich bleibe und in seinen Leidenschaften erneut den „Gang seiner Torheit” durchlaufen müsse.13

   Gerade diese „Menschennatur” freilich mit ihren „guten und bösen Triebfedern” treibt für ihn den progressus weiter: „Neugierde und die unersättliche Begierde nach Gewinn, nach Ruhm, nach Entdeckungen und größerer Stär­ke” würden den einzelnen immerfort beflügeln und dem sozialen Kollektiv den Horizont beständig erweitern,

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9 Johann Gottfried Herder, Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Mit einem Vorwort von Gerhart Schmidt (Wiesbaden o.J. <1966>), S.397 und 415. Vgl. Briefe zur Beförderung der Humanität, hg. v. Hans Diet­rich Irmscher (Bd. 7 der Frankfurter Herder-Ausgabe, Frankfurt/Main 1991), S. 129

10 Ideen, a.a.O. S. 119   11 a.a.O., S. 76   12 a.a.O., S. 178    13 a.a.O., S. 396


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