Home
Impressum
RUTH FLEIGS GALERIE
SCHULKINDER MALEN
Bilderbuch Rob. Rabe
Kritzel-Kratzel
HORST FLEIGS TEXTE:
I  Philosophica
II  Reiseberichte
III Zu Wim Wenders
IV Film und Kindheit
V Mitschüler/Schulen
VI GERMANISTICA
A Der alte Goethe
Briefpartner
Briefkunst
Gesprächspartner
Goethes Tagebuch
Schatten des Todes
Ausg. letzter Hand
Weltliteratur
Geistig vereinsamt
Sekretieren
Erinnerungsschocks
Sich-historisch-Sein
›Warte nur, balde‹
Kollektivwesen Genie
Hypsistarier Goethe
B Zu Theodor Fontane
C Zu »Bonaventura«
D Zu Aug. Klingemann

MERLIN ODER DER ALTE GOETHE

DIE LETZTEN JAHRE  (1823-32)

________________________________________________________________________________________ 

Bildquelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/Marianne_von_Willemer


Von den älteren Briefwechseln ist der mit Marianne und Jacob v. Willemer der künstlichste. Mit Willemer, dem offiziellen Adressaten, treibt Goethe ein pläsierliches Doppelspiel, das vom eigentlichen Adressaten abzulenken vorgibt und im Grunde nur noch verbergen will, daß diese Beziehung zu Marianne längst erkaltet ist, auf­ge­ho­ben und »kohobiert« zur 'Divan'-Poesie, zu Liedern, die Goethe ihrerseits schon »wie eine abgestreifte Schlangenhaut« vorkamen (12.1.1827 zu Eckermann). Glaubwürdiger als der notorische Hinweis auf ein mögliches Wiedersehen und sein Dauerinteresse an den Reiserouten und -beschreibungen der Frankfurter Freunde erscheint jedenfalls seine Freude über Delikatessen wie Artischocken, Brenten, Mostsenf und Pfef­fer­nüsse sowie über exquisites Spielzeug für die Enkel, von denen der 10jährige Wolfgang übrigens schon gut mit der erotischen Hudhud-Symbolik des Divans vertraut sei.

    Einmal noch läßt sich Marianne von diesen spielerischen Verkleidungen innerer Distanz täuschen, ist ver­wirrt, als Goethe ihr im Oktober 1825 die Verse von Myrt' und Lorbeer, die »hoffnungsvoll sich abermals vereinen« wollen, zum Zeichen lyrischer Kongenialität zusendet. Auch protestiert sie leise gegen seine überdiskrete An­spie­lung auf die Frankfurter Tage 1815 in den 'Tag- und Jahresheften' von 1830 (»die Erwähnung jener Tage«, schreibt sie, »gleicht einem Liede, wozu nur einige die Melodie kennen, für die meisten bleibt es un­ge­sun­gen«). Sie steht ihm aber selbst in der Diskretion nicht nach: Seinen Wunsch, sie möge ihre Briefe, die er ihr Wochen vor seinem Tode zusammen mit Versen auf schwarzem Zierrand zurücksendet, bis zu dieser »un­be­stimm­ten Stunde« versiegelt lassen, übertrifft sie noch und läßt bis zum eigenen Tod 1860 von ihren Be­zie­hun­gen nichts an die Öffentlichkeit dringen.


Angesichts ihrer Verwirrung ist nun allerdings anzumerken, daß sich die Briefkunst des alten Goethe überhaupt durch ein verführerisches dialogisches Rollenspiel auszeichnet. Am 10. 4. 1827 skizziert er Zelter die Technik des ehemaligen Fürstprimas des Rheinbundes v. Dalberg, durch Standardtexte mit persönlich klingenden Floskeln der Unmenge von Korrespondenten Herr werden zu wollen. Auf keinen Fall habe er selber einmal in diese Si­tu­a­ti­on kommen mögen. »Daraus folgt denn, daß ich von je her seltener antwortete, und dabei bleibt's denn auch jetzt in höheren Jahren aus einer doppelten Ursache: keine leeren Briefe mag ich schreiben, und be­deu­ten­de führen mich ab von meinen nächsten Pflichten und nehmen mir zu viel Zeit weg.« Wirklich sind (abstrakt-)›bedeutende‹ Briefe rar und kreisen dann durchweg um das Wesen der Individualität und um den Tod, besonders anrührend in der kleinen Gattung der Trost- und Kondolenzschreiben, darunter der wohl schönste aller Briefe, das für Carl Augusts Nachfolger Carl Friedrich bestimmte genealogisch-metaphysische Schreiben vom 18.7.1828 an den Weimarer Kammerherrn v. Beulwitz.


- 6 -

Zurück



Marianne von Willemer (1784-1869)
Pastell von Johann Jacob de Lose (1809)
Weiter
Top
http://www.fleig-fleig.de/